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Fragen und Antworten zu Bibliotheks- und Archivinformatik

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2 October 2020

3: Weitere Bibliothekssysteme

by K.K.Buhler

ALEPH & ALMA

Welche Bibliothekssoftware wird am häufigsten verwendet?

In der Tat gibt es noch viele andere Bibliothekssysteme. Der “Library Systems Report” von Marshall Breeding (1.5.2020) zeigt verschiedene Systeme im Überblick. Aus der ersten Aufstellung lassen sich die Produkte-Hersteller und deren Anzahl vertriebener Produkte in den vergangenen fünf Jahren ablesen. EBSO Information Services ist dabei der mächtigste Hersteller mit 3250 Installationen. EBSCO Information Services ist ein führender US-amerikanischer Anbieter von Informationsquellen, Managementlösungen, Volltext- und Referenzdatenbanken. Mit 1758 Installationen folgt das ebenfalls amerikanische Unternehmen Follet und mit 1272 Installationen OCLC. Das OCLD “Online Computer Library Center” ist eine weltweit tätige Non-Profit-Organisation und ein Dienstleister für Bibliotheken aller Art, die 1967 auf Initiative von Universitätsprofessoren in Dublin gegründet wurde.

Der in Europa mächtigste Software-Anbieter Ex Libris verzeichnet 2019 980 Installationen, wobei davon 797 der Software Aleph zugeordnet werden können. Die von ByWater Solutions entwickelte Bibliothekssoftware Koha wurde mit 1296 Installationen im Jahr 2019 500mal häufiger installiert als Aleph.

Weiter lässt sich mit dem Report zu den einzelnen Produkten (und deren Hersteller) ein Vergleich der Anzahl neuer Verträge und der Anzahl bereits vorgenommener Installationen anstellen. Dabei kann festgestellt werden, dass zwischen “general ILS Products”, “Library Service Platforms”(neue Cloud-Angebote) und “Library Management Systems for Schools” unterschieden wird. Eindrücklich wird hier aufgezeigt, dass für Schulbibliotheken andere Produkte und Anbieter angesagt sind und diese in der Anzahl die anderen beiden Bereiche bei weitem übertreffen.

Was ist Aleph?

Aleph ist in der Schweiz bis heute in grossen öffentlichen oder wissenschaftlichen Bibliotheken ein weit verbreitetes Bibliothekssystem. Unterdessen ist es in die Jahre gekommen und wird ab 2021 vom Ex-Libris-Nachfolgeprodukt Alma schrittweise abgelöst. Ab Dezember 2020 wird Alma bereits an ausgewählten Universitäten und Hochschulen zur Anwendung kommen.

Wie hat sich Aleph entwickelt?

Die Geschichte von Aleph geht bis in in die zweite Hälfte des 20. Jahrhundert zurück. Nach den ersten Erfahrungen mit dem Einsatz von Computern zur Verwaltung von Bibliotheken begannen in den 1960ern und 1970ern weltweit Bestrebungen wachzuwerden, eine Software zu entwickeln, mit der sämtliche der unterschiedlichen Geschäftsgänge einer Bibliothek zentral verwaltet werden können. Aus diesem Bedürfnis heraus wurde Aleph entwickelt und im November 1981 erstmals in Betrieb genommen. Über Aleph konnten bereits damals der Bibliothekskatalog als OPAC (Online Public Access Catalogue), die bibliothekarische Erwerbung und die Ausleihe sowohl von Buchbänden wie auch Zeitschriften verwaltet werden. Im Jahr 1989 begann der Verkauf von Aleph ins Ausland, vor allem nach Europa. Bis 1995 verkaufte man die Software an rund 200 Bibliotheken. Für den Informationsverbund Deutschschweiz (IDS) wurde 1997 Aleph 500 gewählt und ab 1998 installiert. Aleph 500 basiert auf einer Oracle-Datenbank und verfügt über eine XML-Schnittstelle. Die ursprünglich nur zweisprachige, hebräisch-englische Benutzeroberfläche unterstützt mittlerweile durch Integration von Unicode zwanzig verschiedene Sprachen. Übrigens ist die Ex Libris Group eine israelische Softwarefirma, die Bibliothekssoftware entwickelt. Der Hauptsitz ist in Isreal. Dem Unternehmen sind zehn Büros und Datenzentren rund um die Welt (Europa, Nordamerika, China, Australien) angegliedert. Im Oktober 2015 wurde Ex Libris von ProQuest aufgekauft. Im Rahmen des Projekts Swiss Library Service Platform (SLSP) wird Aleph durch das webbasierte Nachfolgeprodukt Alma ersetzt.

Produkte von Ex Libris Abb.: Verschiedene Produkte von Ex Libris, u.a. Alma, Aleph und Primo

Hier die (wenig aussagekräftige) Werbe-Broschüre zu Aleph von Ex Libris.

Die Software Aleph verfügt über fünf Module. Je eines dient der Katalogisierung, der Ausleihe, der Erwerbung und der Fernleihe. Über das fünfte Modul wird die technische Administration durchgeführt.

Aleph Module

Abb.: Aleph’s 5 Module: Katalogisierung, Ausleihe, Erwerbung, Fernleihe und technische Administration

Im Modul Katalogisierung werden die Metadaten der Bibliotheks-Medien erfasst. In Beitrag 2 “Funktion und Aufbau eines Bibliothekssystems” habe ich die Katalogisierung bei Koha beschrieben und der Metadatenstandard MARC21 vorgestellt. Derselbe Standard wird auch bei Aleph angewendet. Die entsprechenden Felder werden nach vorgegebenen Satzschablonen ausgefüllt. Bisweilen müssen Tastenkombination oder Funktionstasten angwendet werden, um die Felder ausfüllen zu können. Jedem Feld sind mehrere Indikatoren zugeordnet, jeder Indikator wieder mit einer bestimmten Bedeutung. Es gibt eine “Feldhilfe”, die Auskunft über das entsprechende Feld und seine Indikatoren gibt.

Aleph Katalogisat

Abb.: Katalogisat in Aleph mit MARC21-Feldern

Aufgrund meiner Tätigkeiten an verschiedenen Bibliotheken (FHSG, Wyborada, Forschungsbibliothek Pestalozzianum) habe ich Aleph als Software kennen gelernt, die zwar viel kann, aber überhaupt nicht intuitiv zu bedienen ist. Es ist eine Software aus dem letzten Jahrhundert (vgl. Geschichte Aleph). Während Jahrzehnten wurde an der Struktur weitergebaut, diese ergänzt und erweitert. Entstanden ist ein unübersichtliches Gebilde mit Falltreppen, Sackgassen und überraschenden Querverbindungen oder Abkürzungen in Form von Geheimwegen. Ich und wohl viele Bibliotheksangestellte in der Schweiz sind nun sehr gespannt auf Alma.

Was ist Alma?

Alma ist die Bibliothekssoftware, die Aleph ab 2021 schrittweise ablösen wird. Die Software wird auf einer Cloud zur Verfügung gestellt. Hier ein Werbe-Video zu Alma von Ex Libris.

Die Mitstudierende Sandra Flückiger arbeitet an ihrem Arbeitsort (Juristische Bibliothek, Bern) bereits seit ein paar Tagen mit ALMA. Sie macht eine kleine Einführung in die Software, die einen ersten Eindruck des neu eingeführten Systems vermitteln:

Alma Startseite

Abb.: Startseite von Alma im Outlook-365-Look

Neu ist der Zugang zum cloudbasierten System ortsunabhängig und direkt über den Browser mit einer Login-Seite einfach zu bewerkstelligen. Jede Nutzer’in erhält eine edu-ID. Es gibt nur noch diesen einen Account für alle Aktivitäten. Die Nutzer’in muss sich selber registrieren und wird einer Usergruppe zugeordnet, die mit Rechten verbunden ist. So wird geregelt, wer Bücher ausleiht, diese herausgibt, erwirbt, bearbeitet etc.

Alma Navigationsfeld

Abb.: Navigatioin in Alma via Module (schwarzer Balken) und Textfelder

Flückiger erwähnt die Aufgabenliste als neue und nützliche Funktion. Damit können Aufgaben verschiedenen Personen zugeordnet werden. Weiter sind unter dem Haus-Icon neben dem Suchschlitz Institutions- Netzwerk- und Gruppenzonen definiert. Damit können die Daten von angeschlossenen ALMA-Vertragnutzer’innen einfach aufgerufen werden. Die Module wurden von Aleph übernommen, neu im schwarzen Balken an der linken Seite angeordent und umbenannt. Die Navigation innerhalb der Module gestaltet sich via Lauftext. Die Komplexität und Mächtigkeit des Systems wird hier erahnbar.

Alma Metadatenbearbeitung

Abb.: Katalogisat in Alma mit MARC21-Feldern

Die Darstellung des Katalogisats mit den Marc-Feldern sieht in Alma ähnlich aus wie in Aleph. Die Records können in Alma aber im BIBFRAME-Format angeschaut, exportiert und über eine eindeutige URI angesteuert werden (siehe dazu Beitrag 10 “Linked Data”).

Die SLSP, Swiss Library Service Platform, ist Koordinationsstelle für alle an ALMA einsetzenden Bibliotheken und verantwortlich für die Umsetzung des Projektes. Sie wirbt auf ihrer Website mit dem Slogan: “Wissenschaftliche Informationen aus den Bibliotheken der Schweiz einfach zugänglich und verfügbar gemacht.” Mit dem SLSP System werden wissenschaftliche Informationen aus Bibliotheken in der gesamten Schweiz zusammengeführt. Damit wird das SLSP System ein nationaler Katalog wissenschaftlicher Informationen. Von Januar bis März 2021 wird das SLSP System an ausgewählten Bibliotheken in der Schweiz eingeführt. Interessant finde ich, dass SLSP nicht von Alma spricht, sondern vom SLSP System.

Vorteile werden eine aktuelle Software mit gesichertem Unterhalt sein. Die zentrale Pflege kann als Vorteil betrachtet werden, weil sie einen Effizienzgewinn bedeutet; eine Zentralisierung bringt aber auch Updates mit sich, die aufgedrängt werden. Alma ist ein proprietäres Produkt, d.h. in diesem Fall ist ExLibris der Verkäufer der Angebotes. Dieser Vendor-Lock-in dürfte als Nachteil gewertet werden. Es besteht dadruch eine enorme Marktmacht, gerade weil sich sehr viele grosse Bibliotheken an diesem Projekt beteiligen. Wenn alle Bibliotheken ALMA benutzen erhält der Anbieter auch Macht über die Preisgestaltung. Aus diesem Grund wäre ein Open-Source-Produkt angebrachter, gerade weil so viele Bibliotheken an einer Lösung interessiert sind.

Gäbe es denn eine Open-Source-Alternative? Und wenn ja, wieso wird diese nicht für ein landesweites Projekt wie Alma berücksichtigt?

Felix Lohmeier erwähnt FOLIO als mögliche Alternative zu Alma, um dem oben beschriebenen Vendor-Lock-in zu entgehen.

FOLIO ist ein Open Source Bibliothekssystem der Open Library Foundation. Der Informationsdienstleiter EBSCO ist mit Abstand der grösste Entwicklungsförderer von FOLIO und spielt eine wichtige, treibende Rolle im Projekt. EBSCO ist übrigens der grösste Konkurrent von Ex Libris. Weiter bietet auch ByWater Solutions, die auch Koha und andere Open-Source-Bibliothekssoftware entwickelt haben, Support und Entwicklungsdienstleistungen für FOLIO an.

Bei FOLIO handelt es sich um ein brandneues Produkt, das es zu entwickeln und etablieren gilt - genau wie ALMA. Für mich stellt sich die Frage, was die Gründe für die SLSP war, um ALMA zu wählen? Wurde ein Open-Source-Produkt als Alternative überhaupt in Betracht gezogen? Wenn ja, weshalb aber nicht weiter verfolgt? Die Dozierenden Lohmeier und Meyer beantworten diese Frage so:

Nachvollziehbar wäre, dass sich SLSP für die Ex-Libris-Nachfolgelösung von Aleph entschieden hat, weil damit der Wechsel der Software überschaubarer und mit weniger Widerstand durch die Mitarbeitenden durchgeführt werden kann. Es ist davon auszugehen, dass der Wechsel einer Software, die täglich von tausenden von Mitarbeiter’innen benutzt wird, ein enormes Change Management erfordert.

Dennoch gäbe es gute Gründe, ein Open-Source-Projekt zu favorisieren. Mit dem Einsatz von Open-Source-Software entginge eine Institution dem Vendor-Lock-in und könnte zusätzlich Know How in die Community einbringen und diese stärken. Viele wissenschaftliche Bibliotheken haben das IT-Fachpersonal zudem bereits im Haus.

Weiter zu Beitrag 4 “Funktion und Aufbau von Archivinformationssystemen”.

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