Fragen und Antworten zu Bibliotheks- und Archivinformatik
by K.K.Buhler
ARCHIVESSPACE, ISAD(G) & EAD Die Funktion und der Aufbau von Archivinformationssystemen wird hier anhand der Open-Source-Software ArchivesSpace beleuchtet. Nach Angaben zu Installation und Struktur des Produktes werden die archivspezifischen Metadatenstandards ISAD(G) und EAD erläutert.
ArchivesSpace ist eine Open Source Archivsoftware, die 2009 in den USA von einer Entwickler-Community aufgebaut wurde und international angewendet wird. ArchivesSpace deckt alle Geschäftsgänge eines Archivs ab. Es werden Archivmaterialien verzeichnet und in einem Online-Katalog durchsuchbar gemacht. Es werden Nutzungsgeschäfte verwaltet, Aufbewahrungsorte für unterschiedliche Materialien und Formate definiert und koordiniert. Eingebaut ist auch eine Statistik für eine Priorisierung der Bestandsentwicklung. Nicht alles ist öffentlich und auch nicht für alle Mitarbeiter’innen zugänglich, entsprechend erhält die Rechteverwaltung einen besonderen Stellenwert. Zudem ermöglichen Schnittstellen den Import und Export von Metadaten.
ArchivesSpace hat 400 zahlende Mitglieder, woraus fast 5 Vollzeitstellen finanziert werden. Das ist eine solide Basis und spricht für eine breite Akzeptanz der Software. ArchivesSpace ist institutionell verankert bei Lyrasis, einem internationalen “Non-Profit” Bibliotheksnetzwerk vorrangig aus den USA. Es gibt auch zwei weitere Unternehmen, die dazu professionellen, kostenpflichtigen Support anbieten. Grundsätzliche gilt: die Software ArchivesSpace kann frei genutzt werden. Persönlicher Support ist nur bei einer Mitgliedschaft gewährleistet. Der offene Code ist bei GitHub einzusehen.
Auf der Website von ArchivesSpace finden sich Zugang zu einer Demo-Version, dem neuesten Release der Software, Tutorials zu Installation und Bedienung wie auch Support. Hier beispielsweise ein Erklärvideo zum Umgang mit dem Programm.
Wenn verschiedene Bibliotheks- oder Archivinformationssysteme in derselben Umgebung installiert sind, kann es zu Versions- oder Ressourcenkonflikten kommen. Am besten wird für jedes System eine eigene Umgebung genutzt. Um den Wartungsaufwand zu reduzieren und Ressourcen zu sparen, werden üblicherweise virtuelle Maschinen oder Container eingesetzt.
Ja, auch die Archivsoftware ArchivesSpace wird über die Shell installiert. Diesmal war ich bei der Installation sogar erfolgreich! Es sind allerdings auch viel weniger Befehle nötig als bei Koha ;)
Hier die Installations-Schritte für ArchivesSpace:
Java 8 installieren (Bei “Internal Server Error 500”: Java 11 ist nicht kompatibel und muss mit Java 8 ersetzt werden.):
sudo apt update
sudo apt install openjdk-8-jre-headless
Zip-Archiv herunterladen und entpacken:
wget https://github.com/archivesspace/archivesspace/releases/download/v2.8.0/archivesspace-v2.8.0.zip
unzip -q archivesspace-v2.8.0.zip
ArchivesSpace mit Startbefehl starten:
archivesspace/archivesspace.sh
ACHTUNG: Möchte die Software geöffnet werden, muss im Terminal immer zuerst der Startbefehl eingegeben werden!
Erst dann kann die Website im Browser aufgerufen werden:
Nach erfolgreicher Installation, Startbefehl im Terminal und Eingabe von http://localhost:8080/ (Zugang für Mitarbeiter) im Browser erscheint dieses Sign-In-Fenster:
Abb.: Sign-In-Fenster in ArchivesSpace
Username: admin
Password: admin
Um die Struktur von ArchivesSpace zu verstehen, gilt es folgende drei Begriffe zu unterscheiden:
Accession: Dokumentation der Erwerbung, wegen vertraulichen Angaben oft nicht öffentlich
“An accession record documents a grouping of archival materials that comes into our custody. A collection may be composed of one or many accessions, each of which must be represented by a separate accession record so that we have a clear understanding of what the materials are, how they came to us, what we have done with them, and the conditions governing our stewardship.”
Resource: Zentraler Nachweis auf der obersten Ebene der Verzeichnungsstufen, zum Beispiel zu einem Nachlass (kann aber auch direkt zum Objekt sein, wenn die Resource nur eine Verzeichnungsstufe hat)
“Within the context of ArchivesSpace, resources can be defined as materials that are in the custody of an archival repository and are being controlled according to archival principles. (…) ArchivesSpace supports description of the resource as an in-tellectual entity and also as one or more physical or digital entities that may embo-dy the intellectual item.”
Archival Object/Item: Nachweis von Objekten auf weiteren Verzeichnungsstufen (Bestand/Fonds/Collection, Serie/Series/Teilbestand, Akte/File, Einzelstück/Item). Sie werden als “Add Child” an vorhandene Resources gehängt
“ArchivesSpace supports the creation of Resource records with multiple levels of description, using Component records, referred to in the system as Archival Ob-jects. Resource component records describe the intellectual or physical parts of a resource that make up an aggregation of archival materials, including series, files, and items.”
Detaillierte Beschreibung: ArchivesSpace Manual for Local Usage at NYU
Die US-Software ArchivesSpace basiert vor allem auf DACS, der amerikanischen Variante von ISAD(G) und ISAAR(CPF). Beim Import und Export von Metadaten werden EAD, MARCXML und METS unterstützt. In der Schweiz sind im Archivwesen vor allem ISAD(G) und EAD verbreitet.
Während in den Bibliotheken der Metadatenstandard MARC21 und RDA verwendet wird, so sind es in den Archiven ISAD(G) und demnächst RiC (siehe mehr zu RiC in Beitrag 10 “Linked Data”).
ISAD(G) ist der derzeit noch am häufigsten benutzte Metadatenstandard in Schweizer Archiven. Als digitale Archivsysteme entwickelt wurden, orientierte sich die Datenstruktur an analogen Findmitteln wie Findbüchern und Zettelkästen. Grundsätzlich gibt es eine mehrstufige Verzeichnung im Provenienzprinzip, um den Entstehungszusammenhang abzubilden. Dieser Kontext des Archivmaterials ist für die Forschenden wichtig, um dieses richtig zu verstehen. Jede bekannte Information, auch wie das Archivmaterial ins Haus gekommen ist, wird erfasst. In den Archiven aufbewahrten Unikate, sollen detailliert und kontextbezogen erschlossen werden.
Abb.: Eindimensionaler Aufbau der Metadatenstandards ISAD-G
Die Tektonik von ISAD(G) ist allerdings eindimensional. Momentan ist es nicht möglich eine Mehrfachzuordnung zu machen. Die Erschliessung durch die Archivar’in muss nachvollzogen werden. Zudem enthält der Standard keine Vorgaben zur Digitalisierung oder zur digitalen Langzeitarchivierung.
In diversen Archivinformationssystemen spiegelt sich der Metadatenstandard im Aufbau der Software. Ein Archivsystem ist nach dem Provinienzprinzip aufgebaut und bildet damit den Kontext dund die Herkunft eines Items ab. Dies zeigt sich in den Verzeichnungselementen, die bei der Erschliessung des Items eine wichtige Rolle spielen:
Der Standard enthält 26 Verzeichnungselemente in 7 Informationsbereichen:
Von besonderer Bedeutung sind 6 Pflichtfelder:
Die ISAD(G) Guidelines (Informationsbereiche siehe S. 19) helfen, die zu archivierenden Objekte richtig zu erschliessen.
EAD (Encoded Archival Description) ist ein XML-Standard und ein weit verbreitetes Austauschformat. Es gibt verschiedene Versionen: EAD2002 und EAD3, das im August 2015 veröffentlicht wurde.
Encoded Archival Description (EAD) is an XML standard for encoding archival finding aids, maintained by the Technical Subcommittee for Encoded Archival Standards of the Society of American Archivists, in partnership with the Library of Congress.
Hier gibt es eine Liste der Elemente in EAD2002.
Der Standard lässt viele Wahlmöglichkeiten offen, daher gibt es oft Anwendungsprofile, die genauer spezifizieren welche Werte zugelassen sind. EAD wird beispielsweise bei Archives Portal Europa, Archivportal-D, Kalliope angewendet. Eine Übung in Archivesspace zeigt, dass eine importierte RAW-xml-Datei von der wiederum exportierten EAD-Version abweicht. Ein Datenaustausch kann mit verschiedenen Fehlern behaftet sein. Bei Abweichungen der Metadaten in den unterschiedlichen Standards fällt der Import/Export der Datei mit Verlust aus. Zudem obliegt die Validierung der Datensätze jenen, die die Daten freigeben. Es gibt allerdings keine Pflicht zur Validierung, womöglich Datensätze fehlerhaft sind und gar nicht importiert werden können.
GOOD TO KNOW: Um Verluste bei einem Datenaustausch zu vermeiden, sollen bei den verwendenten Standards identische Verzeichnungsstufen verwendet werden.
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