BAIN?!

Fragen und Antworten zu Bibliotheks- und Archivinformatik

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9 October 2020

4: Funktion und Aufbau von Archivinformationssystemen

by K.K.Buhler

ARCHIVESSPACE, ISAD(G) & EAD Die Funktion und der Aufbau von Archivinformationssystemen wird hier anhand der Open-Source-Software ArchivesSpace beleuchtet. Nach Angaben zu Installation und Struktur des Produktes werden die archivspezifischen Metadatenstandards ISAD(G) und EAD erläutert.

Was ist ArchivesSpace?

ArchivesSpace ist eine Open Source Archivsoftware, die 2009 in den USA von einer Entwickler-Community aufgebaut wurde und international angewendet wird. ArchivesSpace deckt alle Geschäftsgänge eines Archivs ab. Es werden Archivmaterialien verzeichnet und in einem Online-Katalog durchsuchbar gemacht. Es werden Nutzungsgeschäfte verwaltet, Aufbewahrungsorte für unterschiedliche Materialien und Formate definiert und koordiniert. Eingebaut ist auch eine Statistik für eine Priorisierung der Bestandsentwicklung. Nicht alles ist öffentlich und auch nicht für alle Mitarbeiter’innen zugänglich, entsprechend erhält die Rechteverwaltung einen besonderen Stellenwert. Zudem ermöglichen Schnittstellen den Import und Export von Metadaten.

ArchivesSpace hat 400 zahlende Mitglieder, woraus fast 5 Vollzeitstellen finanziert werden. Das ist eine solide Basis und spricht für eine breite Akzeptanz der Software. ArchivesSpace ist institutionell verankert bei Lyrasis, einem internationalen “Non-Profit” Bibliotheksnetzwerk vorrangig aus den USA. Es gibt auch zwei weitere Unternehmen, die dazu professionellen, kostenpflichtigen Support anbieten. Grundsätzliche gilt: die Software ArchivesSpace kann frei genutzt werden. Persönlicher Support ist nur bei einer Mitgliedschaft gewährleistet. Der offene Code ist bei GitHub einzusehen.

Auf der Website von ArchivesSpace finden sich Zugang zu einer Demo-Version, dem neuesten Release der Software, Tutorials zu Installation und Bedienung wie auch Support. Hier beispielsweise ein Erklärvideo zum Umgang mit dem Programm.

Wenn verschiedene Bibliotheks- oder Archivinformationssysteme in derselben Umgebung installiert sind, kann es zu Versions- oder Ressourcenkonflikten kommen. Am besten wird für jedes System eine eigene Umgebung genutzt. Um den Wartungsaufwand zu reduzieren und Ressourcen zu sparen, werden üblicherweise virtuelle Maschinen oder Container eingesetzt.

Installation per Shell?

Ja, auch die Archivsoftware ArchivesSpace wird über die Shell installiert. Diesmal war ich bei der Installation sogar erfolgreich! Es sind allerdings auch viel weniger Befehle nötig als bei Koha ;)

Hier die Installations-Schritte für ArchivesSpace:

  1. Java 8 installieren (Bei “Internal Server Error 500”: Java 11 ist nicht kompatibel und muss mit Java 8 ersetzt werden.):
    sudo apt update
    sudo apt install openjdk-8-jre-headless

  2. Zip-Archiv herunterladen und entpacken:
    wget https://github.com/archivesspace/archivesspace/releases/download/v2.8.0/archivesspace-v2.8.0.zip
    unzip -q archivesspace-v2.8.0.zip

  3. ArchivesSpace mit Startbefehl starten:
    archivesspace/archivesspace.sh

ACHTUNG: Möchte die Software geöffnet werden, muss im Terminal immer zuerst der Startbefehl eingegeben werden!

Erst dann kann die Website im Browser aufgerufen werden:

Nach erfolgreicher Installation, Startbefehl im Terminal und Eingabe von http://localhost:8080/ (Zugang für Mitarbeiter) im Browser erscheint dieses Sign-In-Fenster:

SignIn ArchivesSpace

Abb.: Sign-In-Fenster in ArchivesSpace

Username: admin
Password: admin

Wie wird ArchivesSpace angewendet?

Um die Struktur von ArchivesSpace zu verstehen, gilt es folgende drei Begriffe zu unterscheiden:

Detaillierte Beschreibung: ArchivesSpace Manual for Local Usage at NYU

Welches sind die verbreitetsten Metadatenstandards in Archivinformationssystemen?

Die US-Software ArchivesSpace basiert vor allem auf DACS, der amerikanischen Variante von ISAD(G) und ISAAR(CPF). Beim Import und Export von Metadaten werden EAD, MARCXML und METS unterstützt. In der Schweiz sind im Archivwesen vor allem ISAD(G) und EAD verbreitet.

ISAD(G)?

Während in den Bibliotheken der Metadatenstandard MARC21 und RDA verwendet wird, so sind es in den Archiven ISAD(G) und demnächst RiC (siehe mehr zu RiC in Beitrag 10 “Linked Data”).

ISAD(G) ist der derzeit noch am häufigsten benutzte Metadatenstandard in Schweizer Archiven. Als digitale Archivsysteme entwickelt wurden, orientierte sich die Datenstruktur an analogen Findmitteln wie Findbüchern und Zettelkästen. Grundsätzlich gibt es eine mehrstufige Verzeichnung im Provenienzprinzip, um den Entstehungszusammenhang abzubilden. Dieser Kontext des Archivmaterials ist für die Forschenden wichtig, um dieses richtig zu verstehen. Jede bekannte Information, auch wie das Archivmaterial ins Haus gekommen ist, wird erfasst. In den Archiven aufbewahrten Unikate, sollen detailliert und kontextbezogen erschlossen werden.

ISAD(G)-Modell

Abb.: Eindimensionaler Aufbau der Metadatenstandards ISAD-G

Die Tektonik von ISAD(G) ist allerdings eindimensional. Momentan ist es nicht möglich eine Mehrfachzuordnung zu machen. Die Erschliessung durch die Archivar’in muss nachvollzogen werden. Zudem enthält der Standard keine Vorgaben zur Digitalisierung oder zur digitalen Langzeitarchivierung.

Weshalb ist ein Grundverständnis von ISAD(G) wichtig?

In diversen Archivinformationssystemen spiegelt sich der Metadatenstandard im Aufbau der Software. Ein Archivsystem ist nach dem Provinienzprinzip aufgebaut und bildet damit den Kontext dund die Herkunft eines Items ab. Dies zeigt sich in den Verzeichnungselementen, die bei der Erschliessung des Items eine wichtige Rolle spielen:

Der Standard enthält 26 Verzeichnungselemente in 7 Informationsbereichen:

  1. Identifikation
  2. Kontext
  3. Inhalt und innere Ordnung
  4. Zugangs- und Benutzungsbedingungen
  5. Sachverwandte Unterlagen
  6. Anmerkungen
  7. Kontrolle

Von besonderer Bedeutung sind 6 Pflichtfelder:

Die ISAD(G) Guidelines (Informationsbereiche siehe S. 19) helfen, die zu archivierenden Objekte richtig zu erschliessen.

EAD?

EAD (Encoded Archival Description) ist ein XML-Standard und ein weit verbreitetes Austauschformat. Es gibt verschiedene Versionen: EAD2002 und EAD3, das im August 2015 veröffentlicht wurde.

Encoded Archival Description (EAD) is an XML standard for encoding archival finding aids, maintained by the Technical Subcommittee for Encoded Archival Standards of the Society of American Archivists, in partnership with the Library of Congress.

Hier gibt es eine Liste der Elemente in EAD2002.

Der Standard lässt viele Wahlmöglichkeiten offen, daher gibt es oft Anwendungsprofile, die genauer spezifizieren welche Werte zugelassen sind. EAD wird beispielsweise bei Archives Portal Europa, Archivportal-D, Kalliope angewendet. Eine Übung in Archivesspace zeigt, dass eine importierte RAW-xml-Datei von der wiederum exportierten EAD-Version abweicht. Ein Datenaustausch kann mit verschiedenen Fehlern behaftet sein. Bei Abweichungen der Metadaten in den unterschiedlichen Standards fällt der Import/Export der Datei mit Verlust aus. Zudem obliegt die Validierung der Datensätze jenen, die die Daten freigeben. Es gibt allerdings keine Pflicht zur Validierung, womöglich Datensätze fehlerhaft sind und gar nicht importiert werden können.

GOOD TO KNOW: Um Verluste bei einem Datenaustausch zu vermeiden, sollen bei den verwendenten Standards identische Verzeichnungsstufen verwendet werden.

Weiter zu Beitrag 5 “Weitere Archivinformationssysteme”.

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